Die Parabel von den Zwillingen im Mutterleib

Zweifler: Glaubst du wirklich an ein Leben nach der Geburt?

Glaubender: Ja natürlich glaube ich an ein Leben nach der Geburt! Unser Leben ist hier doch nur eine Vorbereitung auf das Leben nach der Geburt.

Zweifler: Blödsinn, so etwas gibt es nicht! Wie soll das denn aussehen, ein Leben nach der Geburt?

Glaubender: Das weiß ich auch nicht genau, aber es wird sicher viel heller sein als hier, und wir werden herumlaufen und mit dem Mund essen.

Zweifler: So ein Quatsch! Bist du jemals herumgelaufen? Und mit dem Mund essen, wer hat so etwas schon mal gesehen? Überlege doch mal, wozu du die Nabelschnur hast!

Glaubender: Ich bin davon überzeugt, dass das alles irgendwie gehen wird. Es wird eben alles anders sein als hier, aber wir werden es trotzdem erleben.

Zweifler: Jetzt hör mal her. Es ist noch nie jemand von "nach der Geburt" zurückgekehrt. Somit ist es erwiesen, dass das Leben nach der Geburt zu Ende ist. Und das Leben ist eine einzige Quälerei, hier auf engen Raum und dunkel und der Sinn des Lebens ist, an der Nabelschnur dran zu bleiben, das siehst du doch.

Glaubender: Nein, ich bin überzeugt, dass wir nach der Geburt unsere Mutter wirklich sehen werden, das scheint mir viel sinnvoller zu sein.

Zweifler: Mutter? Du glaubst an eine Mutter? Wo soll die denn bitte sein?

Glaubender: Na überall, um dich herum. Wir sind in ihr und leben in ihr und durch sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein.

Zweifler: Ach hör doch auf! Mutter, ich will nichts mehr davon hören.

Glaubender: Aber hör doch. Psst sei mal ganz ruhig! Manchmal, wenn wir ganz ruhig sind, dann kannst du sie singen hören, oder spüren, wenn sie unsere kleine Welt streichelt. Ich glaube wirklich, dass unser eigentliches Leben erst dann beginnt.

(Henry Nouwen)

 


Die Libelle

Eine Gruppe Libellenlarven sprachen eines Tages darüber, dass sie eine andere Libellenlarve dabei beobachtet haben, wie sie über einen kleinen Pfad ging und nie mehr zurückkehrte.

Sie trafen eine Abmachung, dass wenn eine von ihnen eines Tages über diesen Pfad geht, sie unbedingt wieder zurückkommen muss um zu erzählen, wie es am Ende dieses Pfades aussieht.

Etwa eine Woche später ging eine der Libellenlarven diesen Pfad entlang und auf die andere Seite. Sie hat sich in eine Wunderschöne Libelle verwandelt. Sie hat sich so gefreut über ihren glänzenden Körper und die schönen Flügel. Sie flog der Sonne entgegen, machte in der Luft Loopings und Schrauben und erinnerte sich plötzlich an die Abmachung, die sie mit ihren Freunden getroffen hatte.

Sie flog zurück zum Teich und versuchte, wieder ins Wasser zu kommen, immer und immer wieder, doch sie hat es nicht geschafft. Sie gab auf sagte zu sich selbst:

"Ich habe versucht, mein Versprechen zu halten, aber auch wenn ich es ins Wasser schaffen würde, würden mich meine Freunde nicht mehr erkennen in meinem neuen Körper. Ich glaube, sie müssen den Pfad selber beschreiten um zu sehen, wohin er führt und um zu sehen, wie gut es mir jetzt geht."

 (Verfasser ist mir leider unbekannt)

 


Die Drei Raupen

Es waren einmal drei kleine grüne Raupen. Sie fraßen und hielten
mit ihren Raupenaugen Ausschau nach grünen Blättern. Sie fraßen und schauten
und schliefen und lebten, wie Raupen nun mal leben und sich freuen an ihrer Welt.
Bis eines Morgens das große Unglück geschah.

Eine der Raupen war über Nacht gestorben. Ganz leblos lag sie da, ganz braun.
Sie fraß nicht mehr, sie kroch nicht mehr, sie schaute nicht mehr mit ihren Raupenaugen.
Sie war tot. Große Trauer brach unter den Raupen aus.
"Nun ist sie tot", sagten sie. "Nie mehr wird sie auf der Erde kriechen,
nie mehr die schönen, grünen Blätter fressen. Sie ist tot.

Und während die kleinen Raupen trauerten und trauerten und unglücklich
auf ihren toten Freund schauten, geschah etwas einzigartiges.
Die braune Hülle, der Kokon, brach auf, und heraus kam ein wunderschöner
bunter Schmetterling. Er entfaltete seine Flügel und flog befreit von aller Erdenschwere,
befreit von seinem Raupenleben hoch in die Lüfte.

Die anderen Raupen trauerten und klagten. Den Schmetterling hatten
sie nicht gesehen. Sie sahen nur die tote, braune Hülle.
Raupenaugen sehen keine Schmetterlinge. Raupenaugen sehen Gras,
und Blätter und Raupen, aber keine Schmetterlinge. Und die Raupen
trauerten und trauerten, und über ihren Köpfen flog der befreite Schmetterling....

(Verfasser ist mir leider unbekannt)

 

Das Beste kommt noch                                                                                

Bei einer Frau war eine tödliche Krankheit festgestellt worden und man gab ihr noch drei Monate zu leben.
Sie begann, ihre Dinge in Ordnung zu bringen und bat den Pfarrer um einen Besuch, damit sie ihren letzten Willen mit ihm besprechen konnte.
Sie sagte ihm, welche Lieder an ihrer Beerdigung gesungen und welche Bibelverse gelesen werden sollten und in welchem Kleid sie bestattet werden wollte, zusammen mit ihrer Bibel.
Als alles geregelt schien und der Pfarrer schon gehen wollte, fiel ihr plötzlich noch etwas Wichtiges ein. "Warten Sie noch. Da ist noch etwas!" sagte sie aufgeregt.
"Was noch?", fragte der Pfarrer.
"Es ist mir sehr wichtig", sagte sie. "Ich möchte gern mit einer Gabel in der rechten Hand beerdigt werden!"
Der Pfarrer sah sie an und wusste einen Augenblick lang nicht, was er sagen sollte!
"Jetzt sind Sie überrascht, nicht wahr?" fragte die Frau.
"Um ehrlich zu sein, ja, allerdings!" erwiderte der Pfarrer.
Die Frau begann zu erklären: "Wissen Sie, in all den Jahren, in denen ich die geselligen Veranstaltungen in der Gemeinde besucht habe, beugte sich mit Sicherheit jedes Mal, wenn die Teller vom Hauptgang abgeräumt wurden, jemand vor und sagte: "Behaltet aber eure Gabeln!"
Das war für mich der schönste Augenblick, denn dann wusste ich, dass noch etwas Besseres kam, wie zum Beispiel ein samtiger Schokoladenkuchen oder ein schöner Apfelstrudel. Darum sollen mich die Leute mit einer Gabel in der Hand im Sarg liegen sehen, und sie sollen sich fragen, was das bedeutet. Und Sie sollen ihnen sagen: "Behaltet eure Gabeln - das Beste kommt noch!"
Dem Pfarrer stiegen Freudentränen in die Augen und er nahm die Frau bewegt in die Arme. Es war ihm klar, dass dies wahrscheinlich das letzte Mal war, dass er sie vor ihrem Tode sah.
Bei der Beerdigung sahen die Leute, die am Sarg vorbeigingen, die Frau in ihrem schönsten Kleid und mit ihrer Bibel im Arm und einer Gabel in der rechten Hand.
Immer wieder hörte der Pfarrer die Frage: "Was soll denn die Gabel?"
Und immer wieder lächelte er und erzählte den Leuten von dem Gespräch, das er kurz vor ihrem Tod mit der Verstorbenen geführt hatte - über die Gabel und was sie für die Frau bedeutete.
Denken SIE daran:

Das Beste kommt noch!

(Verfasser ist mir leider unbekannt)

 


Die Spezialmutter

Die meisten Frauen werden durch Zufall Mutter, manche freiwillig, einige unter gesellschaftlichem Druck und ein paar aus reiner Gewohnheit. Dieses Jahr werden 100.000 Frauen Mütter behinderter Kinder werden. Haben sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, nach welchen Gesichtspunkten die Mütter behinderter Kinder ausgewählt werden?
Ich stelle mir Gott vor, wie er über der Erde schwebt und sich die Werkzeuge der Arterhaltung mit größter Sorgfalt und Überlegung aussucht. Er beobachtet genau und diktiert dann seinen Engeln ins riesige Hauptbuch.

"Armstrong, Beth: Sohn. Schutzheiliger: Matthias.

Forest, Majorie: Tochter. Schutzheilige: Cäcilie.

Rutledge, Carrie: Zwillinge. Schutzheiliger? Gebt ihr Gerad, der ist es gewohnt, dass geflucht wird."

Schließlich nennt er einem Engel einen Namen und sagt lächelnd: "Der gebe ich ein behindertes Kind."

Der Engel wird neugierig: "Warum gerade ihr, oh Herr? Sie ist doch so glücklich."

"Eben deswegen", sagt Gott lächelnd. "Kann ich einem behinderten Kind eine Mutter geben, die das Lachen nicht kennt? Das wäre grausam."

"Aber hat sie denn die nötige Geduld?" fragt der Engel.

"Ich will nicht, dass sie zuviel Geduld hat, sonst ertrinkt sie in einem Meer von Selbstmitleid und Verzweiflung. Wenn der anfängliche Schock überwunden und der Zorn verklungen ist, wird sie es tadellos schaffen. Ich habe sie heute beobachtet. Sie hat den Sinn für Selbständigkeit und Unabhängigkeit, die bei Müttern so selten und so nötig sind. Verstehst du: das Kind, das ich ihr schenken werde, wird in seiner eigenen Welt leben. Und sie muss es zwingen, in der ihren zu leben, das wird nicht leicht werden."

"Aber Herr, soviel ich weiß, glaubt sie nicht einmal an dich." Gott lächelt.

"Das macht nichts, das geht schon in Ordnung. Nein sie ist hervorragend geeignet. Sie hat genügend Egoismus."

Der Engel ringt nach Luft. "Egoismus? Ist das denn eine Tugend?"

Gott nickt. "Wenn sie sich nicht gelegentlich von dem Kind trennen kann, wird sie das alles nicht überstehen. Diese Frau ist es, die ich mit einem nicht ganz vollkommenen Kind beschenken werde. Sie weiß es zwar noch nicht, aber sie ist zu beneiden. Nie wird sie ein gesprochenes Wort als etwas Selbstverständliches hinnehmen. Nie einen Schritt für etwas Alltägliches. Wenn ihr Kind zum ersten Mal Mama sagt, wird ihr klar sein, dass sie ein Wunder erlebt. Wenn sie ihrem Kind einen Baum, einen Sonnenuntergang schildert, wird sie ihn so sehen, wie nur wenige Menschen meiner Schöpfung jemals sehen. Ich werde ihr erlauben, alles deutlich zu erkennen, was auch ich erkenne. -Unwissenheit, Grausamkeit, Vorurteile -, und ich werde ihr erlauben, sich darüber zu erheben. Sie wird niemals allein sein. Ich werde bei ihr sein, jeden Tag ihres Lebens, jede einzelne Minute, weil sie meine Arbeit eben so sicher tut, als sei sie hier neben mir."

"Und was bekommt sie für einen Schutzheiligen?" fragt der Engel mit gezückter Feder.

Da lächelt Gott. "Ein Spiegel wird genügen."

(Erma Bombeck)

 


Zwei Blätter am Ast


Von der großen Eiche am Wiesenrand fiel das Laub. Es fiel von allen Bäumen. Ein Ast der Eiche stand hoch über den anderen Zweigen und ragte weit hinaus zur Wiese. An seinem äußersten Ende saßen zwei Blätter zusammen.
„Es ist nicht mehr wie früher“, sagte das eine Blatt. „Nein“, erwiderte das andere. „Heute Nacht sind wieder so viele von uns davon … wir sind beinahe schon die einzigen hier auf unserem Ast.“
„Man weiß nicht, wen es trifft“, sagte das erste. „Als es noch warm war und die Sonne noch Hitze gab, kam manchmal ein Sturm oder ein Wolkenbruch, und viele von uns wurden damals schon weggerissen, obgleich sie noch jung waren. Man weiß nicht, wen es trifft.“
„Jetzt scheint die Sonne nur selten“, seufzte das zweite Blatt, „und wenn sie scheint, gibt sie keine Kraft. Man müsste neue Kräfte haben.“
„Ob es wahr ist“, meinte das erste, „ob es wohl wahr ist, dass an unserer Stelle andere kommen, wenn wir fort sind, und dann wieder andere und immer wieder…“
„Es ist sicher wahr“, flüsterte das zweite, „man kann es gar nicht ausdenken… es geht über unsere Begriffe…“ „Und man wird auch noch traurig davon“, fügte das erste hinzu.
Sie schwiegen eine Zeit. Dann sagte das erste still vor sich hin: „Warum wir wohl weg müssen…?“ Das zweite fragte: “Was geschieht mit uns, wenn wir abfallen…?“
„Wir sinken hinunter…“
„Was ist da unten?“
Das erste antwortete: „Ich weiß es nicht. Der eine sagt das, der andere dies… aber niemand weiß es.“
Das zweite fragte: „Ob man noch etwas fühlt, ob man noch etwas von sich weiß, wenn man dort unten ist?“ Das erste erwiderte: „Wer kann das sagen? Es ist noch keines von denen, die hinunter sind, jemals zurückgekommen, um davon zu erzählen.“
Wieder schwiegen sie. Dann redete das erste Blatt zärtlich zum anderen: „Gräme dich nicht zu sehr, du zitterst ja.“
„Lass nur“, antwortete das zweite, „ich zittere jetzt so leicht. Man fühlt sich eben nicht mehr so fest an seiner Stelle.“
„Wir wollen nicht mehr von solchen Dingen sprechen“, sagte das erste Blatt. Nun schwiegen sie beide. Die Stunden vergingen. Ein nasser Wind strich kalt und feindselig durch die Baumwipfel.
„Ach… jetzt…“ sagte das zweite Blatt, „…ich…“ Da brach ihm die Stimme. Es ward sanft von seinem Platz gelöst und schwebte hernieder. – Nun war es Winter.

(Felix Salten)

 

 

Licht sein

In einem Winkel der Welt kauerte verbissen, trotzig und freudlos eine dicke, schauerliche Finsternis. Plötzlich erschien in dieser Not ein kleines Licht, klein, aber ein Licht. Jemand hatte es hingestellt. Es war ganz einfach da und leuchtete.

Einer, der vorüberging, meinte: "Du ständest besser woanders als in diesem abgelegenen Winkel." "Warum?" fragte das Licht. "Ich leuchte nicht, um gesehen zu werden, nein, ich leuchte, weil es mir Freude macht, Licht zu sein."

Aber die düstere Finsternis ging zähneknirschend und wütend gegen das Licht an. Und doch war die ganz große Finsternis machtlos gegen dieses winzige Licht.

(Verfasser ist mir leider unbekannt)

 

 

 

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